Westfalen blüht!

03.06.2012

Tollkühne Kerle aus Westfalen erobern den Himmel

Flugpioniere August Euler und Josef Suwelack


Westfalen erdverbunden, erdenschwer? Na, von diesem Ballast wollen wir uns mal schnell erleichtern! Westfalen greifen mutig nach den Sternen und so mancher kernige Luftikus in spe spannt am Pfluggerät die Pferde aus, wechselt ins Fluggerät und erobert sich die Lüfte, sobald sirrende Propeller die wackligen Kisten antreiben. Tollkühne Kerle  aus Westfalen richten ihren Blick stur himmelwärts in eine luftige Zukunft.
    Mit dem ersten deutschen „Flugzeugführerschein Nr.1“ in der Tasche hebt 1910 August Euler aus Oelde ab. Er schafft bereits drei Stunden und sechs Minuten Flugzeit. Rekord! Etwa zur gleichen Zeit bastelt auch der junge Josef Suwelack aus Billerbeck an seinem Lebenstraum vom Fliegen.  Vor hundert Jahren, am 8. Dezember 1911, stellt der Pilot aus dem Münsterland einen Weltrekord im Dauerflug mit einem Passagier auf.  Suwelack hält seine Rumpler-Taube vier Stunden und 34 Minuten in der Luft. Der Aviatiker macht Schlagzeilen.
    Der junge Kaufmann August Euler (geb. am 20. November 1868) interessiert sich zunächst mehr für die blühende Fahrrad- und Autoindustrie als für jene obskuren Flugmaschinen, mit denen Otto Lilienthal und die amerikanischen Brüder Orville und Wilbur Wright abheben. Doch 1903 sattelt auch Euler um und verschreibt sich der Fliegerei. Als er 1908 die Nachbau-Lizenz der französischen Voisin-Flugmaschine erhält, gründet der Westfale in Darmstadt die „Euler-Flugmaschinen-Werke“.
    Die neue Technik veranlaßt 1909 den Deutschen Luftschiffer-Verband die Bedingungen zum Erwerb von Flugzeugführerpatenten festzulegen. Noch am Tag der Veröffentlichung, am 31. Dezember 1909, erfüllt August Euler mit zwei Platzrunden die Anforderungen. Mit Datum 1. Februar 1910 wird ihm der deutsche „Flugzeugführerschein Nr.1“ ausgestellt. 1912 hebt Euler die Deutsche Luftpost aus der Taufe. Am 10. Juni transportiert der wegen seiner gelben Bespannung Gelber Hund genannte Euler-Doppeldecker 10 000 Postkarten von Frankfurt nach Darmstadt. Dragonerleutnant Ferdinand von Hiddese steuert den Gelben Hund auf diesem historischen Jungfernflug.
    Für Josef Suwelack (geb. am 30. April 1888) fällt die Entscheidung fürs Fliegen 1909 beim Tennisspiel in Billerbeck. „Was die können, das kann ich auch!“ kommentiert er Sportfreunden gegenüber die Schlagzeilen der Brüder Wright. Aus Bambusstäben entsteht in der Billerbecker Schreinerwerkstatt Kleideiter ein Gleitflugzeug. Der Apparat wird über eine mit Seife präparierte Holzschiene in den Himmel katapultiert. Zwei Pferde sind vorgespannt, und das Gerät macht einen kleinen Sprung: „He flögg, he flögg!“ – Westfalen sind durch und durch Optimisten.
   Es folgen Versuche auf der Loddenheide in Münster, dann auf dem Flugplatz Johannisthal bei Berlin. Die Presse notiert: „Mit dem Eindecker ist er dreimal eine Runde von 15 bis 20 Minuten geflogen“. Ostern 1911: „Billerbecker Flugtage“, der ganze Ort ist auf den Beinen, doch die Flüge fallen ins Wasser, Sturm, Unwetter, technische Schwierigkeiten. Josef Suwelack, inzwischen mit dem bekannten Hersteller Rumpler liiert, legt am 2. August 1911 die Pilotenprüfung ab, seine Lizenz trägt die Nr. 102. Der stolze Vater in Billerbeck mahnt: “Verrichte immer ein Gebet vor dem Flug!“
1912 kauft sich der 24jährige Suwelack mit 10 000 Goldmark als Gesellschafter bei den Kondor-Werken in Essen ein. 1913 wird der erste Kondor fertiggestellt, ausgerüstet mit einem 95-PS-Mercedes-Motor. Es geht über den Ärmelkanal nach London, der mutige Pilot erreicht – damals unglaublich –  2 160 Meter Höhe. Als Deutschland den Krieg gegen Frankreich vorbereitet, wird die Kondor-Maschine in Essen als „kriegswichtiges Gut“ durch die Heeresverwaltung beschlagnahmt. Suwelack meldet sich freiwillig zum Kriegsdienst, der junge Pilot wird 1914 mit dem Offiziers-Fliegerabzeichen und dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.  Am 13. September 1915 stirbt Josef Suwelack  „in Folge eines schweren Luftkampfes mit englischen Fliegern“ an der französischen Front. Er wurde nur 27 Jahre und viereinhalb Monate alt.

      




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"Sibirien Europas"

"Provinz Westfalen":
Mit Gründung der Provinz, die den Preußen beim Wiener Kongress 1815/16 zugesprochen wurde, ergab sich eine weitestgehende Deckung der politischen Einheit mit dem heutigen Gebiet Westfalen. Die Preußen sollen in ihrer neuen Provinz zunächst das "Sibirien Europas" gesehen haben, denn es galt kulturlos und rückständig. Das ist natürlich der Schnee von gestern.